Wie gestalte ich ein bioaktives Gehege?

Meine Gehege versuche ich seit Beginn der bioaktiven/naturnahen Gehegegestaltung zu optimieren und den jeweiligen Tieren anzupassen. In der Terraristik sind bioaktive Gehege bereits lange vertreten und sind mehr Standard als Rarität.

Das ich abseits vom Biologie Leistungskurs aus der Zeit in der Oberstufe mal über Ökosysteme, Biotopen und Symbiosen schreiben werde habe ich nicht gedacht - but here we go! Ich hoffe sehr, dass ich mit diesem Bericht andere Hamsterhalter dazu motivieren kann sich auch einmal an ein bioaktives Gehege zu wagen.

 

Wer mag kann auch der Facebookgruppe "Bioaktive Gehegegestaltung für Hamster" beitreten! 

 

Zunächst ein paar Begriffe, die für das Verständnis des Berichtes von Vorteil sind (einfach erklärt!): 

Bioaktiv in Bezug auf das bioaktive Gehege: Eine biologische Aktivität aufweisend; es finden Umbauprozesse statt die sich auf das Ganze auswirken; Bioaktive Prozesse gehen einher, je reicher und vielfältiger das Bodenleben ist.

Ökosystem: Ein Ökosystem ist eine Lebensgemeinschaft von Lebewesen in einem bestimmten Lebensraum.

Symbiose: Das Zusammenleben von Lebewesen verschiedener Art zu gegenseitigem Nutzen.

Bodenpolizei: Die "Bodenpolizei" hilft Schimmel zu vermeiden, zersetzen abgesonderten Urin und Kot und fressen (Frisch-)futterreste zuverlässig; Kombination aus verschiedenen Gliederfüßern, hier Asseln und Springschwänze.

 

Was ist ein bioaktives Gehege? 

Im Gegensatz zu einem Streugehege "lebt" ein bioaktives Gehege. Es ist ein eigenes kleines Ökosystem. Neben dem Hamster als Hauptbewohner ist die Bodenpolizei maßgeblich an der Aufrechterhaltung dieses Systems verantwortlich. Ziel ist eine dauerhafte Aufrechterhaltung der Symbiose zwischen Hamster, Erdsubstrat, Pflanzen und der Bodenpolizei. 

 

Die Bodenpolizei

Um ein bioaktives Gehege am Leben zu halten, benötigt man eine Bodenpolizei. Sie beseitigen Abfall (bspw. Hamster-Kot), Schimmel- und Pilzsporen und helfen dabei, die Erde zu lockern und zu belüften. Sie sorgen also dafür, dass das Gehege sauber und gesund bleibt.

Im Fall einer bioaktiven Gehegegestaltung eignen sich vor allem Asseln und Springschwänze. (weiße Asseln sind der Klassiker; zusätzlich kann man kubanische und Panda Asseln nutzen). Bei weißen Asseln und Springschwänzen müsst ihr euch keine Sorgen zwecks Ausbruch machen: Sie sind Heimatstreu und bleiben da, wo ihre Lebensbedingungen stimmen.  Die Population der Asseln wird durch das Nahrungsangebot reguliert. Normalerweise bekommt man die Kleinen auch nur selten zu Gesicht. Sie gehen nachts auf Nahrungssuche und kommen nur an die Oberfläche wenn unten nichts mehr zu finden ist. Den Hamster stören die Kleinen Helfer nicht. 

 

Voraussetzung für ein Bioaktives Gehege ist ein Glasgehege. Bei einem Holzgehege, auch wenn es durch Lack von innen gegen erste Feuchtigkeit geschützt ist, habt ihr nicht die Einsicht in das Gehege wie bei einem Glasgehege und könnt kaum beobachten. Zudem kann es sein, dass die Feuchtigkeit dennoch ihren Weg in das Holz findet.

 

Für das Bioaktive Gehege benötigt man:

- (Aquarium-)Kies (grob, abgerundet) und/oder Blähton 

- verschiedene Bodensubstrate; Kokoserde + Lehmgemisch + Sand (Chinchillasand)

- Futterpflanzen (z.B. Goliwoog , Grünlilie, Katzengras, Vogelmiere)

- Sämereien (bspw. aus dem Trockenfutter)

- Wassernapf

- "Bodenpolizei" z.B. weiße Asseln, Panda Asseln, kubanische Asseln,  Springschwänze

- Hygrometer (Messung der Luftfeuchtigkeit)

Verstecke wie Korkröhren, Weinreben, Keramik und Tonverstecke, ein Laufrad, ein Sandbad

 

Eine Kleine Rechnung, die helfen kann, wie viel Kokoserde ihr ca. kaufen müsst:

Angenommen euer Gehege ist 120x60x60cm groß und hat eine Streukante von 30cm. Ihr rechnet also die Länge (120) x die Breite (60) x die Höhe, die ihr einstreuen wollt (30) und teilt diesen Wert durch 1000. Somit bekommt ihr 216 raus. Bedeutet, 216l Kokoserde um eure Streuhöhe von 30cm zu füllen.

 

Gestaltung:

Ein bioaktives Gehege sollte nicht zu trocken sein, aber auch nicht zu feucht für den Hamster werden. Um Staunässe zu verhindern, benötigen wir als unterste Schicht eine Drainage. Der Boden des Geheges sollte somit mit abgerundetem Aquariumkies und/oder Blähton ausgelegt werden. 

 

Großes und schweres Zubehör (Sandbad, Weinreben, Korkröhren) müssen standfest stehen und sollten bereits vor dem Befüllen der Erde im Gehege Platz finden. 

Holzzubehör sollte entweder mehrfach lackiert werden oder ganz gegen feuchtigkeitsresistente Materialien ausgetauscht werden. Hier empfehlen sich Keramik oder Ton. Das Laufrad und andere Dinge kann man bspw. auf "Dekobrücken" aus Plexiglas (siehe Bild unten) oder Rundrohre (Baumarkt) stellen oder mittels Ton- und Keramikebenen einen Platz dafür schaffen. Zubehör aus Holz kann man natürlich verwenden - die Bodenpolizei würde sich bei auftretendem Schimmel direkt kümmern. ;-)

 

Als Hauptbestandteil des Bodengrunds dient uns Kokoserde. Ich habe stets positive Erfahrung mit einem Gemisch aus Kokoserderde von Grünhopper und JBL Terra Basis oder  Allkokos Kokoserde und JBL Terra Basis gemacht. Es gibt Kokoserde auch in Blöcken, diese muss man in Wasser quellen lassen. (Dann bitte nur mit der Hälfte der angegebenen Wassermenge!) 

 

Als weitere Möglichkeit kann man die Kokoserde nun noch mit Lehm mischen um es grabfähiger zu machen und dem Hamster damit die Chance zu geben, dass Gänge noch besser halten. Bei besonders buddelfreudigen Hamstern konnte ich hier gute Erfahrungen machen. 

Um das Gemisch herzustellen habe ich ca. 4kg Lehm auf 50l (einen Beutel Grünhopper Kokoserde) gemischt. (Bspw. Desert Bedding v. Lucky Reptile; Zoo Med XR-10E Clay; Lehmpulver)

 

Den Bodengrund um das Zubehör einfüllen und Asseln und Springschwänze im Gehege verteilen. Auch Sämereien kann man zwischendurch bereits in der Erde verteilen. Die Erde muss nicht fest angedrückt werden.

 

Weiteres Zubehör sowie Napf, Erlebnisfutter und Futter im Gehege verteilen. Frischfutterpflanzen in einem Ton-Topf ins Gehege integrieren oder frei ins Gehege pflanzen. Kleine Ableger von der Grünlilie kann man z.B. in die Erde setzen.

 

Die Pflege des Geheges:

Die Kokoserde muss nur selten mit Wasser besprüht werden da vor allem buddelfreudige Hamster die Erde stets gut durchmischen. Je nach Bedarf sollte man Pflanzen leicht anfeuchten. Das Sandbad je nach Bedarf aussieben und ggf. reinigen wenn es als Toilette genutzt wird, da die Bodenpolizei sich primär nur in der Erde aufhält. 

Die Bodenpolizei musste ich bislang nicht nachsetzen.

Frischfutterreste muss ich nur äußerst selten entfernen, meist wenn diese noch zu groß sind. Pipiecken habe ich seitdem nur selten reinigen müssen. Die Kleinen "Untermieter" leisten also ganze Arbeit. 

 

Luftfeuchtigkeit:

Im Idealfall beträgt die Luftfeuchtigkeit im Gehege 40-60%. Um dies zu messen, sollte für mind. 30 Minuten ein Hygrometer ins Gehege gelegt werden um einen genauen Wert zu erhalten. Der Wert gibt Ausschluss darüber, ob man erneut befeuchten sollte oder ob das Gehege ggf. schon zu feucht ist. Eine Befeuchtung sollte nicht mittels Gießkanne erfolgen, nutzt bitte ein Sprühgefäß zur leichten Befeuchtung. Das Gehege sollte an einem Ort stehen, an dem es gut belüftet wird aber gleichzeitig auch nicht der puren Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist (tropisches Klima!). Ich habe inzwischen in jedem Gehege ein Hygrometer an einer für den Hamster unerreichbaren Stelle angebracht um so immer einen aktuellen Wert zu haben. 

 

Frischfutterpflanzen: 

Goliwoog (recht Calciumhaltig daher nicht oft füttern), Grünlilie (Blüten sind giftig und müssen entfernt werden) und Katzengras findet man z.B. in der Zoohandlung. Wichtig ist, die Pflanzen vor dem Umtopfen gut abzuspülen (v.a. die Wurzel) da häufig Dünger verwendet wurde. Ich setze die Pflanzen in Gefäße mit Kokoserde und habe damit gute Erfahrungen. Anfangs ist es möglich, dass die Pflanzen im Gehege relativ schnell "abgegrast" sind - am besten regelmäßig erst wenig an Pflanzen rein setzen und die Menge steigern. Merken die Hamster, dass stets Frischfutterpflanzen um sie herum sind, fressen sie diese nur bei Bedarf und versuchen nicht sie direkt zu "inhalieren". 

Aus den Sämereien des Trockenfutters keimen zudem auch einige Pflanzen - es ist wirklich interessant was sich innerhalb kürzester Zeit in so einem Gehege entwickelt! Eine Auflistung der Pflanzen, die problemlos verfüttert/gepflanzt werden dürfen:

Katzengras; Golliwoog; Grünlilie; Aloe Vera sweet (!); Vogelmiere; Carex Gräser; Blaugrünes Schillergras; Blauschwingel; Bärenfellgras

 

Todesfall - und nun?

Eine Frage die mich und viele andere grübeln ließ. Komplette Gehegereinigung oder kann man einen anderen Hamster problemlos in das Gehege setzen? Riecht ein anderer Hamster seinen Vorgänger? 

Als im März '21 einer meiner Hamster verstarb hatte ich das Gehege leer gemacht und die Erde im Garten weiter verwendet.

Im Juni '21 verstarb dann ein weiterer "Hamster-Opi" und ich gab dem Gehege knapp zwei Wochen um sich zu regenerieren. So hatte die Bodenpolizei genug Zeit, alles zu zersetzen was noch zu zersetzen war. Zudem räumte ich lediglich ein wenig auf, es gab ein frisches Sandbad und ein wenig frische Erde da sich mit der Zeit schon einiges abgesetzt hatte. Daraufhin zog ein junger Hamster ein. Ich hatte nicht den Eindruck dass er gestresst wirkte oder auf der Suche nach dem Hamster wäre der vorab in dem Gehege gelebt hatte. 

 

Allgemeine Beurteilung: Ich werde nun nach und nach alle neu einzurichtenden Gehege auf bioaktive Gehege umstellen insofern nichts dagegen spricht. Es ist wirklich interessant zu beobachten was sich in den Biotopen entwickelt. Liegen gebliebenes Trockenfutter keimt zu kleinen Pflanzen, die Hamster buddeln viele Gänge und wirken viel aktiver und motivierter das Gehege umzugraben. Asseln und Springschwänze vermehren sich super und halten das Gehege wunderbar sauber. Den Hamstern scheint die Bodenpolizei gar nicht groß aufzufallen - und wenn doch gibt es einen Snack für zwischendurch. ;-) Keinerlei Geruchs- und Staubbildung. Toilettenecken musste ich bisher nur in den Gehegen reinigen, in dem mehr als ein Tier gelebt hatte - in meinem Fall wenn ein Muttertier ihrem Wurf groß zieht oder wenn die Toilette unerreichbar für Asseln und Co. war - bspw. das etwas erhöhte Sandbad. Andernfalls werden Kot und Urin komplett von der Bodenpolizei zersetzt. 

Dieses Gehege ist kosten- und zeitintensiver als "normale" Gehege und mit viel Planung und Beobachtung verbunden! 

 

Diese Seite wird stets aktuell gehalten. Ich habe die ersten Gehege dieser Art erst seit 2021.

Bilder, Einrichtungsvideos und andere Einblicke gibt es auf unserer Instagram-Seite!

hamsters.of.nature


Als erstes kümmern wir uns um die Drainageschicht, bestehend aus Blähton oder groben Aquarienkies!
Als erstes kümmern wir uns um die Drainageschicht, bestehend aus Blähton oder groben Aquarienkies!
Alle schweren Gegenstände stellen wir auf Stelzen und verkeilen z.B. Korkröhren und Weinreben miteinander.
Alle schweren Gegenstände stellen wir auf Stelzen und verkeilen z.B. Korkröhren und Weinreben miteinander.
Jetzt können wir die Erde einfüllen...
Jetzt können wir die Erde einfüllen...

...Futter und Pflanzen verteilen...
...Futter und Pflanzen verteilen...
...Erlebnisfutter darf auch nicht fehlen...!
...Erlebnisfutter darf auch nicht fehlen...!
Fertig! Hygrometer nicht vergessen!
Fertig! Hygrometer nicht vergessen!


Ich nutze überwiegend "Dekobrücken" als Möglichkeit, schwere Dinge wie z.B. Sandbad und Laufrad abzustellen. So können die Tiere drunter her buddeln ohne das etwas passiert. Diese Brücken gibt es in verschiedensten Größen sowie die Möglichkeit, Wunschmaße anfertigen zu lassen. 







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Nele Krasinski

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